Samstag, 2. Juni 2018

Splitting

Eigentlich wären dies zwei Artikel.
Aber irgendwie mag ich die Welt, 
wie sie mir grad begegnet, 
nicht auseinander nehmen. 
Zerrissen genug ist sie schon.

Den Kontinent durchquert!
Angekommen in Seattle, nach gut 7.000 Km und fast einem
Monat mit insgesamt mit 16 durchgefahrenen Tagen.

Ein wenig Schwindel erregend diese Stadt!


Tatsächlich ... nichts ist beim 2. Mal so wie beim 1. Mal.

"Der Verstand liebt die Veränderung. 
Das Herz liebt die Wiederholung."

Scheinbar, ich mags ja selber nicht glauben, bin ich eher Einer, der Veränderungen mag.
Wenn ich etwas schon gesehen hab, beginnt es mich irgendwann zu langweilen.
Oder vielleicht ist Langeweile nicht das richtige Wort … ich bekomme eine Gefühl von Zeitverschwendung.

Das betrifft nicht die Menschen!
Das betrifft nicht die Orte die ich gern habe!

Es betrifft offenbar die Wege dort hin.
Ich fahre dann „lieblos“ … ich fahre einfach … Punkt … schade um die Zeit.

So war der Ausflug an den Mt.St. Helens gut.
Fremde, leere Strassen, ein Wald wie daheim und doch ganz anders und ein Berg, den ich vor Jahren aus der Ferne sah.

Aber ich musste vorzeitig gehen. Ich bin krank geworden und es war kalt in dieser Höhe.
Die Heizung im Cabin hatte nur zwei Stufen: "Aus" oder "An" ... bei der 1. sank die Temperatur auf den Gefrierpunkt (es war tatsächlich Eis auf den Auto am Morgen) bei der 2. heizte sich der kleine Raum so auf, dass ich völlig durchgeschwitzt und aufgedeckt erwachte ... auch keine gute Idee während einer Erkältung.

Das Fieber am Vortag wurde so hoch, dass ich nicht mehr richtig fahren konnte ... oder jedenfalls fuhr ich wie besoffen ... habs zum Glück selber bemerkt.

Also ab nach Seattle, voll mit Aspirin.

Ich kam daher ein paar Tage zu früh hier an und sitze nun 8 Tage und Nächte in Seattle fest. 
Ob es nun eine Haftstrafe wird oder aber zauberhaft, das liegt jetzt ganz an mir.

Mein Zuhause für dies Zeit ist das "Panama Hotel" und das hat`s jedenfalls in sich.
So sehr, dass es einen Wiki Artikel dazu gibt.

... und ein paar Photos von mir:


PANAMA HOTEL 605 S Main St, Seattle, WA 98104



Der Aufgang zum 1. Stock und, nach der Glastüre, zum 2. Stock und zum "Office"





Das "Office"




Der Boden der Flure ist mit altem Leder bespannt ...































... rechts steht meine Zimmertüre offen.
























Mein Zimmer ...
























... es gibt sogar eine eigene sanitäre Einrichtung, nur für mich ...

























... das Klo aber für alle ... die müssen ...

























... und die Badewanne für alle die möchten ...

























Die Elektroinstallationen würden jeden Schweizer Elektriker für ein
paar Jahre hinter Gitter bringen.






































Genau so(!) stelle ich mir ein Hotel am Beginn des letzten Jahrhunderts vor.
Eine Toilette und eine Badewanne pro Stockwerk, der Staubsauger war entweder noch nicht erfunden oder schlicht Luxus und die Elektrifizierung steckte noch in den Kinderschuhen.

Die Zeit ist über diesen Ort hinweg gerollt. 
Nie wirklich renoviert, nur herumgebastelt, seit den 1930ern und vielleicht auch seit dem nicht mehr richtig geputzt. Da muss man alte Dinge schon richtig gern mögen um den Schmuddel hier annehmen zu können.

Ich bin ja `ne Menge gewohnt und dachte, nach dem versifften Indianermotel in Gray Mountain in Arizona 2013, könne mich nix mehr überraschen. Das "Panama Hotel" setzt da jedoch im Punkto Sauberkeit noch Einen obendrauf. 












Seattle selber ist ... speziell ... 
und diesmal meine ich das Schweizer "speziell".

Noch nirgends habe ich die Konfrontation zwischen ganz reich und ganz arm so deutlich gesehen.
Heute am Morgen, es ist Samstag, bin ich quer durch Downtown gelaufen zur Autovermietung ... 
(Ja gelaufen! Autofahren in Seattle wäre wohl nochmal eine Geschichte für sich ... Scheisse, ja!)
... jedenfalls während die Reichen ausschliefen, hatten die ganz Armen schon angefangen mit ihrem Tag. 
Vermutlich schläft es sich in einem Pappkarton auf dem Trottoire vor dem "Marriott" eben doch nicht ganz so toll wie drinnen auf der $ 2.000 Boxspring Matratze.

Während ich hier im "Starbucks" hocke und den x-ten Kafi schlürfe, steht seit gut `ner Stunde draussen ein Mann mit zerrissenen, schmutzigen Klamotten und einem leeren Starbucksbecher in der Hand, den er jedem, der raus kommt entgegen streckt. Auf der anderen Strassenseite stehen die Luxuskarossen, mit Fahrer, brav in einer Reihe vor dem Hotel, wo schon der Parkplatz für 2 Stunden $ 80,-  plus Tax kostet.

Die Grenzen zwischen Normalverdiener, Working Poor und Absolut-am-Ende sind fliesend.

Die Sekretärin, mit Stöckelschuhen, die ihr eine bis zwei Nummern zu gross sind und der Saum vom Rock baumelt hinten raus, geht vor mir und nimmt die Tür zu einem etwas billigeren Laden. 

Zwei Männer bei mir im Hotel, sehen ganz normal aus ... vielleicht Reisende wie ich, die Flecken auf der Kleidung sehe ich erst beim 2. Blick. Flecken, die schon länger dort sind, schon eine Handwäsche im Lavabo überstanden haben ... wer weiss bei wem? Die Klamotten stinken, sind aus dem Müll oder von der Heilsarmee.

Die Frau, die ich in einer Seitengasse sehe, die Hose in den Kniekehlen, wie sie nach allens Seiten schaut und auf den Boden pinkelt. Ich tue ... ihr zur Liebe ... so als sei ich heftig auf mein Handy fixiert. Hier kann man nicht mal menschenwürdig pissen, wenn man keine Dollars hat.


Am Strassenrand und sogar innerhalb einer Baustelle ... (eben am Samstag arbeitet da niemand) ... überall liegen die, die sich aufgegeben haben. Nicht nur ein paar ... es sind viele ... ich schätze 30-50 auf den 1,5 Km vom "Panama Hotel" bis zum Autovermieter im Schicki-Micki-Viertel.

Davon mache ich übrigens keine Photos! 
Ekelhaft genug, dass alle weggucken, noch viel mehr ekelhaft den Photoapparat drauf zu richten.

☜ Das Photo hier hab ich gemacht, weil ich den Typ lustig fand, mit seiner Zeitung einfach auf dem Gehweg, wie still und konzentriert er wirkte, während die Menschen und der Strassenverkehr um ihn herum rauschten.
Erst als ich an ihm vorbei ging, bemerkte ich, dass in dem Müllsack am Boden sein Besitz steckte, sein Pullover und die Hose so dreckig waren wie sein Gesicht.

In dieser Stadt kann man man verloren gehen, verdrecken und verrecken ... das interessiert vermutlich niemanden.

In den Geschäften entlang der Avenues gibt es schöne Dinge zu kaufen, Schmuck und Kleider, Schuhe und viel zum Essen und Trinken. Neben den Dingen in den Schaufenstern stehen Schilder, die, de facto, denen die keine Geld haben diese Sachen zu kaufen, den Einritt per Gesetz verbietet.

Je länger ich dieser Welt zugucke, desto mehr bin ich überzeugt, dass die Abwesenheit von Schönheit, ebenso verheerend auf Menschen auswirkt, wie die Abwesenheit von Freiheit, Essen, Trinken oder Luft.
Klar erstickt man schneller als man verdurstet und verhungert eher als, dass man am Mangel an Schönheit eingeht. Aber das ist nur eine zeitliche Dimension, die auf das Ergebnis keine entscheidenen Einfluss hat.

Für mich ist nichts mit der Definition von "Mensch" so verbunden wie das Schaffen eines Ausdrucks dieser Welt ... letztlich also Kunst ... und eine Kunst ist eben, die Schönheit als solche wahr zu nehmen ... 



So freue ich mich auf eine wunderbare Schiffsreise entlang der kanadischen Westküste … 
… wieder eine andere Art zu leben ...


Geschrieben / gepostet am 1. / 2. Juni 2018 im "Starbucks" und in "The Veggi Grill" in Seattle
Alles Gute zum Geburtstag ... an jemanden den ich sehr liebe!

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