Montag, 11. Juni 2018

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Letztlich hat mir die Zeit des scheinbaren Stillstandes in Seattle gut getan. Die Erkältung war bald ausgestanden und ich konnte zur Ruhe kommen.

Auch die sozialen Kontakte in Seattle taten gut. Ich hab das nicht gleich erkannt, aber währenddessen und im Nachhinein haben sie etwas wie einen Reset-Button bei mir gedrückt.
Gute Leute kennenlernen, ein paar Tage mit ihnen leben, ihre Geschichten hören, die eigenen erzählen, etwas finden, über das man gemeinsam lachen kann.*/**
Dann wird es Zeit für eine Umarmung zum Abschied oder  einen Handschlag und ein ehrliches „Take care!“ und ich kann neu starten. 

Es ist nun eine andere Zeit angebrochenen bei  „Up `n Down `n Around“.
Nach den Tagen in New York und der Zeit mit den beiden Ladies in Vermont, der langen Kontinentdurchquerung, hat, nach diesem Intermezzo in Seattle, das dritte Kapitel begonnen.

Nachdem ich den Nachmittag in Bellingham verbummelt hatte, gegen 15:00h an Bord ging hat es noch fast 4 Std. gedauert, bis alle Autos verladen und festgezurrt waren, alle Hunde in ihren Boxen und alle Passagiere in ihren Kabinen … die übrigens nur unwesentlich grösser sind als die Hundebox … relativ zur Körpergrösse.

Sich orientieren ist eine Arbeitsleistung. Erst früh aufstehen, dann die Zugfahrt, dann Bellingham und letztlich einchecken für die Fähre und das Schiff selber … um 20:00 war ich fix und alle.
Es gab noch ein Süppchen vom Kiosk, einen oder 2 Whiskey in meiner Kabinenbox und dann bin ich erst nach 7 Stunden wieder aufgewacht.

FAHRPLAN / TIMETABLE

Vancouver in der Nacht hab ich verpennt aber dafür bin ich direkt von der Pritsche, nur eine Tür rechts von mir in diese unglaublich märchengleiche Inselwelt zwischen Vancouver Island und dem kanadischen Festland gestolpert.
Inzwischen liegt Vancouver Island hinter uns, links der offene Ocean und rechts die Rocky Mountains, ich muss dringend aufhören zu photographieren, sonst ist die SD-Card gleich voll.
Das Schiff beginnt nun, ohne den Schutz der Inseln ordentlich zu stampfen und ich muss mich beim Laufen fest halten.

Seit dem Mittag fahren wird durch enge Passagen zwischen kleinen Inseln hindurch, manchmal nur 3x so breit wie das Schiff, die Ufer der Inseln zum Greifen. Tausende von Inseln und dahinter tausend weiter. Mit dunkelgrünem Nadelwald und am Wassersaum graue Felsbrocken winzige Kiesbänke und aufgetürmtes Treibholz in Baumgrösse.

Seit 10 Stunden dieses Bild … aber keine Sekunde ist langweilig, keine wie die Andere, keine Aussicht wie die davor. Ich gehe nur kurz rein, zum pinkeln und zum Essen. Ausziehen, wieder anziehen bevor ich wieder raus gehe, es ist windig und kalt. Ich hülle mich inzwischen in 3 T-Shirts, zwei Sweatshirts und eine Softshelljacke, Mütze auf, Kapuze drüber, Kleenex in der Hosentasche um die Linse trocken zu halten. Aber wer schert sich um so was, bei diesem Anblicksfeuerwerk?!
Wer glaubt, ich sei verrückt geworden … der muss nur die anderen Passagiere anschauen … denen gehts genau so. 

Eine riesige Welt … zum Teil völlig unberührt, hier und da eine Fischfarm, nach vielen Stunden ein Dorf … dann stundenlang wieder nur eine Insel nach der anderen, dunkelgrüner Wald, graue bizarre Felsbrocken und knochenbleiches Treibholz … und kein Moment ist wie der Andere.
Ich muss mich zwingen …. oder nein … ich lüge … es beginnt zu regnen … ich muss rein gehen … zum Schreiben … dann doch wieder raus, weil plötzlich die Wolken aufreissen und ein Regenbogen sich zwischen den Inseln, den dunklen Wäldern und den Felsen spannt. Ein Lichtfocus auf einem Inselchen … das Ende des Regenbogens. In der Ferne Regenschleier, die ein einen Fjord fallen, davor flintsteinblauer Himmel.

Ein Spektakel als sei ein allmächtiger Bühnenbildner völlig durchgeknallt, habe 7 Tage und Nächte gehämmert, gezimmert und gemalt, gepinselt, aus Ton geformt, bebrannt, gegossen und gediegen, gebogen, geschweisst und gebildhauert. Ganz zuletzt einen silbernen Ocean ausgeleert zwischen seinen Werken, seinen Wunderkärcher rausgekramt, damit Nebel und Wolken an den Theaterhimmel gesprüht und dann eine guten Hand voll Zauberpulver über alles geworfen, seltsame Dinge gemurmelt und zu guter Letzt sehr unanständig und laut gelacht.

Vielleicht ist das die Schöpfungsgeschichte:
 … der grosse Programmierer war ein versoffener Bühnenbildner … er hat vielleicht von diesen billigen kanadischen Whiskey gesoffen, von dem ich mir 1,75 Liter als Vorrat für die 6 Tage Schiffsreise gekauft habe.
...
Mein Gott … das würde vieles erklären … eigentlich so ziemlich alles!


Good night / Good luck / Guten Morgen / und lasst Euch von niemandem in die Suppe spucken!

Zwei Dinge noch:
1. All das … diese ganze Pracht, gehörte einst niemandem. Hier lebten jagten, liebten Menschen und zogen ihre Kinder gross, denen das genommen wurde.
2. Gestern am  Morgen kam die Nachricht, dass ich auf Hawaii nun definitiv ein paar Tage mit einer guten Freundin verbringe ... happy!

*  Danke an Jan, Louis, Rajen, Qi und Britney, an Ralf und Mike und einen japanischen Koch, eine Friseuse und einen Nachtwächter deren Namen ich nicht weiss.
** Der Running Gag bezog sich auf meinen allabendlichen Whiskeykonsum, dass ich beim Frühstück immer der 1. war … und meine Behauptung, ich würde mich nur medizinisch vorbereiten auf die taghellen Nächte in Alaska, damit ich schlafen kann.


geschrieben zu verschwenden Zeiten am 9./10./11. Juni an Bord der Fähre „Kennicott“

gepostet (hoffentlich!) in Ketchikan (Südalaska) am 11. Juni 2018 gegen 8:30h

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