Samstag, 16. Juni 2018

Living

"Harbourside Café" in Kodiak 
Kodiak …. das war immer das Synonym für das Unbekannte für mich …

… vor allem fällt mir eins meiner Jugendbücher, „Little Fox“ von Hans Radau, dazu ein.

Die Geschichte eines indianischen Jungen, dem Enkel eines Häuptlings, der, ohne Eltern, droht auf die schiefe Bahn zu geraten und darum von seinem Grossvater zu dem Mann seiner verstorbenen Tochter, einem Weissen, der irgendwo in den Wäldern Alaskas als Fallensteller lebt, geschickt wird.
Der Trapper dort draussen, aber will ihn nicht, er will auf niemand aufpassen müssen. 
Aber Little Fox hält ihm eine Rede … eine gute Rede … 
„Du hast gesprochen wie ein Häuptling!“ sagt ihm der Trapper, der übrigens Fred heisst, nachher und lässt ihn bei sich leben.
Von da an machen die beiden die Arbeit zu Zweit und Little Fox lernt den Beruf des Trappers.
Er lernt Achtung zu haben vor den Wäldern, vor den Tieren, die er fängt und vor sich selber.
Der weitere Verlauf der Geschichte führt hier zu weit … auch habe ich ihn grossteils vergessen.
Was ich erinnere, dass oft die Rede von Kodiak war und von der Schönheit und den Gefahren der Insel, den Fischfabriken, wo Fred lange arbeitete, als seine Frau noch lebte und bevor er in die Wildnis  ging.

So sind wir heute am Morgen in dem Städtchen Kodiak, auf Kodiak Island gelandet, es hat geregnet und war nebelig und vielleicht 10°C … 

„Welcome to Alaska!“ sagte die Frau hinterm Tresen in dem kleinen „Harborside Café“ als sie mich mit meinem Regenschirm sieht … 
… ich muss lachen … „Yeah … always this Europeans with their umbrellas?!“
„Oh … no … really no problem, I have an umbrella too … somewhere at home …“ 
sie legt den Finger an die Unterlippe, den Kopf schief und fährt fort 
„Don`t know where it is, haven’t seen it … since … uhmm … Ronald Reagan?!“ 
dann lacht sie laut los. 
„Coffee, honey?“
„Yes Ma`am, thanks“ … … zu Frauen, die einem Kafi geben können, sag ich lieber Ma`am.

Menschen kommen rein, bestellen, lachen, kennen sich untereinander, die Männer mit Arbeitskleidung, blaue Overalls mit Ölflecken, ein paar Frauen mit Rettungswesten die am Anleger arbeiten, ein paar Mädels in Jogginghose, Schlabber-T-Shirt und FlipFlop mit Kindern auf den Armen, plaudern während sie auf ihr „Breakfast to go“ warten.
Zwei Polizisten - mal ohne Kanone an der Hüfte, vier Ranger vom Nationalpark die einen Schneepflug auf dem Hänger ihres Autos haben, eine Handvoll Touristen. 
Eine Frau in einem hellblauen Strampelanzug mit gelben Entchen drauf  und Grizzleypantoffeln an den Füssen, steht einen Moment in der Türe bevor sie zum Tresen geht und laut nach Senf fragt, alle lachen … sie auch …. sie hat eine Wette verloren, gestern, isst nun brav ihren Senf auf.
Ein Mann mit Pelzkappe, langem weissen Haar das drunter hervorquillt und einer Art Kutte aus braunem Stoff … ein Mönch? ein Durchgeknaller? auch eine Wette verloren? er redet mit niemandem … bestellt nur einen Cappuccino, den er sehr langsam trinkt … über eine halbe Stunde.
Ein Mädchen, vielleicht 16, torkelt rein, sehr hübsch, knallblaue Augen ... ihr Gesicht kommt mir seltsam bekannt vor ... verklebte Haare, verschmiertes Makeup, patschnass und dreckig, keine Schuhe, grölt irgendwas  … der eine Polizist macht kein langes Aufheben, packt sie am Arm, sie schimpft laut mit ihm, er bringt sie wortlos zu seinem Wagen fährt sie weg. Es ist ein wenig stiller geworden im Café … 
… eine Frau fragt den andern Polizisten … 
„… brings her home“ höre ich grad so noch den Rest seiner Antwort.

Nicht besser, nicht klüger, nicht ehrlicher, nicht so anders, als Europa dünkt mir dieses Amerika, das hier Alaska heisst …
… viellicht ein wenig offener und klarer … so im Durchschnitt …
… viel Humor und viel Ausprobieren … auch viel Leid … wie überall …

… die eine „S“ erzählte mir gestern … der eine Sohn verheiratet, studiere und gehe im Sommer auf Lachsfang … vernachlässige das Studium und seine Frau … der andere habe sich eine 30 Jahre Ältere genommen … keine Enkelkinder in Aussicht … 
„ … but thats the way of life“ sagt sie … und lacht.

So ist das … 
… machmal muss man eine Häuptlingsrede halten und manchmal einfach die Klappe.
Aber alle müssen wir arbeiten, und die Achtung voreinander und vor uns selbst bewahren und versuchen miteinander zu lachen.



Als ich nach ein paar Stunden und viel Kafi wieder zur Fähre zurück komme, sind fast all die Gesichter der letzten Tage verschwunden und dafür Neue da. Ich hab keine Lust mehr auf neue Kontakte … packe meine Sachen zusammen und ziehe mich zurück zum Schreiben … keine Ahnung über was …

… vielleicht über einen kleinen Ausschnitt vom Leben, in einer kleinen Stadt, in einem kleinen Café, auf einer kleinen Insel im grossen, nebligen und kalten Nordpacific, irgendwo vor der Südküste Alaskas.



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NACHTRAG:

Heute endet für mich eine wundervolle Schiffsreise, mit einer stürmischen Überfahrt von Kodiak nach Homer … Wellenhöhen bis 18 Fuss (6 m) … sagt der Käpt`n über Lautsprecher! 
… ein smaradgrün-weisses Spektakel … unter einem grauen Nebelhimmel …
… genau so wie ich` s gern hab. 
Was für ein absolut brillanter Abschied!!


























Gute Nacht / Good Morning / Have a great day
… und immer schön den Kopf über Wasser halten!


Happy Birthday to J. in NSW …
Wish You for Your new year of life: 
Health, happiness and enough rain, 
that the gras stays green, 
but not so much, 
the sheeps need life jackets.


written 15. of June, on board of the ferry „Kennicott“  in the harbor of Kodiak AK 
posted  in Homer,  Two Bed Room 15. of June 2018

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