Samstag, 9. Juni 2018

Grousing



... draußen sitzen und  schreiben ... schlepp schon wie ein Obdachloser ständig was mit mir rum.

... draussen essen ... kein übler Burger !!

... draussen gucken ... die Wolke über meinem Burger ...

Die Amerikaner müssen um jede Organisation ein Riesen-Geschiss machen.
Ich bin dann doch inzwischen so vorsichtig, dass ich mir ein Taxi zum Bahnhof bestelle ... eine Stunde, bevor der Zug geht.
„Hä????“ fragt sich der kluge Leser … „Wieso `n das?“

Also die Prozedur geht etwa so:
Vorausgesetzt, Du hast das Ticket nicht im Internet gekauft …. und natürlich hab ich nicht!
Dann also, auf zum Bahnhof und eins kaufen.

Wie immer so … erstmal warten!
Schlange stehen in den marmornen Hallen der King Street Station.
Nicht anders als in „D“ oder „CH“ sind nur 30% der Schalter besetzt und genau gleich haben die Leute hinter der Glasscheibe von den beiden Worten „Freundlichkeit“ und „Humor“ nur mal kurz im ersten Semester ihrer 3-jährigen Ausbildung zum „TicketSellingAssistant“ gehört.


„Hi Sir how can I help You?“ is ja noch freundlich, wenn auch etwas mechanisch.
Aber dann, kaum habe ich meinen Wunsch formuliert … und mein Akzent sollte ihr doch ein Hinweis sein, dass ich in einer Fremdsprache formuliere, bricht ein Redeschwall über mich herein, von dem ich eigentlich …. nichts verstehe.

Ich habe gelernt:
  1. lächeln
  2. "ho ho“ sagen .. ja etwa so wie der Santa Claus
  3. darum bitten, dass alles nochmals wiederholt wird … langsam

Die wollen hier echt Deinen Ausweis sehen, wenn Du `n Zugticket kaufst!
Das wollen Sie übrigens auch, wenn Du ein Bier in der Kneipe bestellst.
Das ist keine Witz, ich habs im Café mit Britney durchexerziert … sie erzählt mir, 
wenn sie mir ein Bier verkauft, ohne meinen Pass zu kontrollieren, … darauf hin ob ich über 18 bin,
dann kann jeder sie anzeigen … das kostet sie dann $ 3000,- und die Schanklizenz.

However …
also Passport raus und Ticket bezahlen.

Am Abreisetag, steigst Du nicht etwa in den Zug, mit deinem Ticket … weit gefehlt!!
Das wäre ja zu einfach.

Also ich komme nach einer kurzen Taxifahrt ca. 50 Min zu früh an.
Die Bahnhofshalle ist voll Menschen, die sich in  2 Schlangen aufgestellt haben.
Die eine vor einem Schalter auf dem Vancouver steht, die andere für die Gegenrichtung nach Portland.
Alle Reisenden müssen nochmals regelrecht einchecken …. Gate 3 - Track 4 steht für meinen Zug auf der Leuchttafel, die übrigens anzeigt, das bis 12:30h genau zwei Züge diesen Bahnhof verlassen werden … jetzt ist 7:30h … mein Zug hat sogar eine Nummer, die ist aber 4 stellig.
Also warten, Ticket zeigen … 2x … und den Passport .... denn es wird vorsortiert ob auch niemand der nach Portland will etwa in de Schlange für Vancouver steht oder umgekehrt.
Das Gepäck muss in einen Metallkübel, der als Schablone passen, eben wie am Flughafen!

Dann das grosse „Go !!“ … es besteht aus einem ca. 1x2 cm grossen Klebezettelchen, der auf einen ca. 4x5 cm grossen roten Zettel geklebt wird … Wagennummer und Platznummer und dann kommt noch ein vermutlich kirgisisches Schriftzeichen mit schwarzem Filzstift drauf … dazu ein verbaler Hinweis … vermutlich auch auf kirgisisch. Ich entschliesse mich, ihn zu ignorieren …. was sich später als Fehler herausstellt. An der Türe die zum Bahnsteig führt, wird mein Ticket ein weiteres Mal kontrolliert … und …. kürzen wir den weiteren Ablauf ab, bevor alle ein geschlafen sind …
… als ich endlich sitze, auf Platz 32 im Wagen 4, nochmals.
Allerdings … meinen Passport musste ich jetzt nicht mehr zeigen.
Als der Schaffner dieses - hoffentlich letzte Mal mein Ticket untersucht … als könne irgendwo aufgedruckt sein: „Vorsicht ich bin ein Bombenleger … bitte werfen Sie mich aus dem Zug“
bemerkt er, dass an meinem Sitz was fehlt. Er fragt mich was auf kirgisisch, also wie immer:

  1. lächeln
  2. "ho ho“ sagen .. ja etwa so wie der Santa Claus
  3. darum bitten, dass alles nochmals wiederholt wird … und zwar … genau!! …. langsam !!

Das Kirgisisch entpuppt sich allerdings wenn man die Bandgeschwindigkeit etwas reduziert, als das hiesige Englisch.
Er zeigt mit strengem Gesichtsausdruck auf die Gepäckablage über mir und fragt, wo meine Platzreservierung sei. Wie jetzt „Platzreservierung?“ … da fällt mir zum Glück der kleine rote Zettel mit dem kleinen weissen Aufkleber und dem kirgisischen Schriftzeichen wieder ein … sollte das etwa … ?
Der Schaffner lächelt milde („diese Europäer ts, ts, ts“) und schüttelt nachsichtig sein, mit den Jahren und dem Kummer, mit Leuten wie mir, ergrautes Haupt.
Nun … bla bla bla … es stellt sich raus, ich hätte das Zettelchen mit dem Klebezettelchen und dem geheimnisvollen Zeichen drauf oben in sein Klarsichtfach stecken müssen, damit er sieht, ob ich berechtig bin, auf diesem Platz zu sitzen.


Nach gut 45 Minuten ist dann die ganze Prozedur vorbei, der Zug fährt pünktlich los … unglaublich!!!

Erst durch die Stadt, durch das Business Viertel, dann ein paar Wiesen und etwas Wald für die Mittelschichthäuschen, die müssen sich das Grünzeug aber teilen … später dann kommen die Viertel, wo Leute auf Etage leben … ein  paar Blümchen auf dem Balkon, dazwischen ein wenig vergilbte Natur. Ganz draussen dann, am Wasser haben die Leute dann nix mehr zu teilen, das gehört alles ihnen allein, das kleine Anwesen, erschlossen durch eine lange bogenförmige Auffahrt, zur hübsch gediegenen Villa im Kolonialstil und hinten dran der Park der an seinem Ende freundlich mit den Wellen der Bucht spielt.
Während die Kids am Morgen, im International District in Seattle, vor meinem Taxi einen grossen Karton über die Strassen zogen … vermutlich ihre Villa für die kommende Nacht … 
Ich werd noch zum Kommunisten in dieser Stadt …
… es ist gut gegangen zu sein !

… und der Zug schaukelt hin und her Richtung Norden als hätte die Arbeiter, die die Schienen gelegt haben … vielleicht vor 100 Jahren … schon geahnt hätten, wie das nervt, wenn man schreibt … mit dem Laptop auf den Knien.

Als Ausgleich ist Leesa beim Einchecken für die Fähre extrem effizient ... meinen Ausweis will sie trotzdem sehen ... ne klar ... was sonst. 
Dafür beschreibt sie mir aber den Weg zum Supermarkt ... ich können Essen mit an Bord bringen ... denn dort sei es ... "a bit expensive" 
Also ab in den Supermarkt ... und unterwegs `n Burger und Kafi.

… in 5 Stunden geht die Fähre nach Alaska 

… gut wieder unterwegs zu sein!


geschrieben im Zug von Seattle nach Bellingham 
überarbeitet im Restaurant "Skylarks" in Bellingham
9. Juni 2018 

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