Montag, 25. Juni 2018

Needing



Nun habe ich 2 Tage im „Golden Spruce Cabin“ verbracht, unter der mütterliche Fürsorge von Patty. Wir haben uns über Aliens unterhalten, über Kaffee, Touristen., die Berge und wie man einen guten Hamburger macht … und 
it could not be otherwise … über den Sinn des Lebens.

Sie ist wohl etwas älter als ich … aber vielleicht mache ich mir da auch nur was vor … und glaubt ganz sicher, dass es Aliens gibt … gesehen hat sie aber noch keins, was ja aber Leute nicht davon abhält, an was zu glauben.
Das Problem dabei is, dass wenn man sagt man habe ein Alien gesehen … oder Gott oder Buddha oder sonstige Säulenheilige … das Umfeld doch eher verhalten reagiert … oder genau gleich mit einem verfährt als wenn sagt, man sei Beethoven … man findet sich relativ schnell - gut sediert - in einer hübsch gelegenen aber geschlossenen Einrichtung wieder.

So kann jede/r verstehen, dass es mir nicht leicht fällt, das Folgende auf zu schreiben.

Wie die regelmässige Leserin vielleicht erinnert, bin ich vor ein paar Tagen in Glennallen Richtung McCarthy gestartet … wer zu seinem eigenen tiefen Bedauern diesen Artikel verpasste, hier ist der  <LINK>
However … was so unterwegs nach McCarthy passierte könnt Ihr dort nachlesen.

Nun aber, muss ich die Uhr um ca. 1 Stunde zurückdrehen … eben ... vor diesem Start von Glannellen nach McCarthy.

Ich kam in die missliche Lage, dass ich am Abend zuvor mehr Zuwendung brauchte als vorauszusehen war. Ich trank also meinen billigen canadischen Whiskey aus und war am Morgen etwas verzweifelt, weil ich für den Abend nix mehr haben würde.
Die Concierge im Hotel empfahl mir auf Nachfrage, einen Liquor Store außerhalb der Stadtgrenzen … wo man keine Steuern auf den Sprit zahlen muss.

So fuhr ich am Morgen dort hin … 3-4 Meilen ausserhalb von Glennallen.
Erst rauschte ich dran vorbei … sah nur im Versailles-Style gestutzte Bäumchen und eine Neonreklame „OPEN“.
Zurückgefahren, stand ich vor einem Häuschen … einer Bruchbude … einem Haus … was auch immer. 
Mein europäisches Ich weigerte sich standhaft da rein zu gehen. Mein Kontinentdurchquerer-Ich scherte sich eine Furz darum und ging rein.



Als könne es nicht anders sein - eine Glocke an der Türe schepperte, es kläffte im Hintergrund ein Köter … solche Kaschemmen haben immer eine Glocke und einen Köter. Dieser kam auch sofort nach vorn … guckte mich aus uralten Augen an und war ganz offensichtlich froh, dass ich ihm keinen Ärger machte.
In den roh gezimmerten Regalen standen Alkoholika für jeden Geschmack … Baileys für die Mädels, Wein fürs gehobene Publikum und … „seufz“ … Whiskey für mich.
In dem ganzen Laden stand die Luft wie in einem Schuhkarton, es roch nach Alt und Gammel und Geschmacksverstärker. Durch die schmierigen Fenster kam nur ein trübes Licht von draussen und etwas wie ein schwerer dunkelgrauer Schirm hing über allem.
Im dem Hintergrund des Hinterzimmers erhob sich eine Gestalt, kam mühsam nach vorn zum Tresen gehumpelt.
Eine uralte Frau … ich schätze so um die 90 … bleiche Haut, gewaltige ebenfalls bleiche Tränensäcke, dürr … oceanblaue Augen, unterernährt … fragte mich „How was Your day?“
Es war 9:00h am Morgen, deswegen die Frage nicht zu beantworten … das sagte ich ihr auch.
„Oh … sorry … I awake at 4:30h … so my day was long … up to jet“ erklärte sie.
Irgendwie kam mir die Alte bekannt vor …

„I`m runnig out of Whiskey, Ma`am!“ versuchte ich das Thema zu wechseln.
Sie warf die Arme in die Luft, drehte sich wie ein junges Ding im Kreis und schrie „Oh no … oh no!“ … „How can I help You, honey?“
Ich zeigte auf den billigen canadischen Whiskey, an den ich mich unter Opfern gewöhnt habe.
Sie leckte sich die dürre Lippen, legte den Kopf auf eine eigentümliche Art und Weise zur Seite, nahm eine mittelgrosse Flasche aus dem Regal und sagte mit einem verschwörerischen Flüstern: „Good Whiskey … really good Whiskey! … for You only $ 17,-“
… und stellt ihn auf den Tresen. 

Während ich mein Geld rauskramte fragte sie woher ich käme „Germany??!“ als ich „Switzerland …“ sagte hob sie wieder die Arme, tanzte im Kreis und und schrie „oh Switzerland … I was there wenn I was a young Girl … with my husband … he was so beautiful and Switzerland was beautiful!“ 
Sie rannte mit erstaunlicher Geschwindigkeit ins Hinterzimmer und kam nach ein paar Sekunden und einigem Gerumpel mit einem Bilderrahmen nach vorn, hielt mir das schwarz-weiss Bild im Rahmen vor die Nase …  
… ich war baff! 
Da war doch tatsächlich der Pilatus wie man ihn von Luzern aus sieht im Hintergrund … im Vordergrund ein junges Paar … beide angezogen im Stil der 50er Jahre … nach dem 2. Weltkrieg also. Er mit Knickerbockern und Wanderschuhen … um die 20 Jahre alt, sie im Kleidchen mit Stöckelschuhen … verdammt hübsch!
„Thats me … thats is George … my husband … he died in 1992 … oh I loved him so deeply“

Ihr kullerte eine Träne runter … und ich musste mich auch zusammen reissen … Scheisse … wie das Leben vergeht!!
„Good guy !!“ sagte sie … und ich dachte sie meinte George … 
… aber nein … sie schaute mich an … nahm meine Hand und sagte: 
„You know, what the soldiers in 2. world war said to each other? … ... Dont let the bastards grind You down“
Sie hielt einen Moment meine Hand … und wieder hatte ich den Eindruck ich kenne diese Frau … jedenfalls diese unglaublich blauen Augen … ! 

„I`m Anna“ sagte sie.
Ich war ein wenig durcheinander … entzog ihr meine Hand, stammelte meinen Namen … legte ihr $ 20,- auf den Tresen.
Sie lächelte kurz, wechselte und wünschte mir einen schönen Tag.
Ich ging, die Glocke an der Türe schepperte, der Hund kläffte … ich war froh wieder draussen zu sein, den dunkelgrauen Schirm über mir gegen dem blauen Himmel zu tauschen.

Ein wenig benommen fuhr ich die ersten Meilen Richtung McCarthy … dann taute ich wieder auf … den Rest lest im letzen Artikel …

Wer nun glaubt, die Geschichte sei zu Ende … weit gefehlt … sehr weit gefehlt …

Gestern, an meinem letzten Abend im den „Golden Spruce Cabins“ … trank ich wohl auch ein wenig über das gewohnte Mass hinaus … however … der Whiskey leer.

Ich musste wieder durch Glennallen zurück fahren … was lag also näher als der alten Anna nochmals einen Besuch zu machen. Ganz wohl war mir nicht dabei … aber Whiskey is Whiskey … solange man nicht den Scheiss aus Schottland trinkt.

Fast wär ich wieder dran vorbei gefahren.
Aber knapp getroffen ist auch getroffen … rauschte ich mit ziemlichem Tempo in die Einfahrt.

Alles wie gehabt: 
Die Türglocke … der muffige Geruch … das trübe Licht …der alte Köter … der diesmal … da er mich offenbar als alten Bekannten ausmachte … zu allem Überfluss auch noch meine Hand ableckte … "whäää grusig" … wer weiss was der zuletzt abgeleckt hat.

Im Hintergrund im Hinterzimmer regte sich was … jemand kam nach vorn … ich erwarte die Alte … sagte fröhlich „Good Morning Ma … „ dann konnte ich nicht weiter reden. 
Hinter dem Tresen stand ein Mädel … so um die 18 Jahre alt … so zauberhaft schön … und offensichtlich unglaublich mies gelaunt.

„What ??“ … blaffte sie mich an.
Ich glotzte wohl nur … diese Augen … oceanblau … verschmiertes MakeUp … total verklebte Haare … 
„Stop starring!!“ schnauzte sie mich an „What do You want?!“

Ich musste meinen Mut richtig hervorkramen … 
„Where is Anna?“ fragte ich sie.

Sie guckte mich erstaunt an, legte den Kopf schief … schien nun die Überraschte zu sein ... drehte sich unvermittelt rum, nahm die genau richtige Flasche Whiskey aus dem Regal, knallte sie mit Wucht auf den Tresen und sagte „$ 17,- !!“

„I have not told you yet, what I want to buy!“ 
… ihre Überraschung gab mir etwas Aufwind und brachte mir die Fassung zurück.
Sie hielt die Flasche noch immer fest … „Yeah?!! … right … uhmm !“
„Where is Anna?“ traute ich mich ein zweites Mal zu fragen.


Sie legte den Kopf auf diese ganz eigentümliche Art und Weise zur Seite, schaute mich aus diesen unglaublich blauen Augen an und sagte … „I`m Anna!“  … ganz sachlich und ganz ruhig.

„I mean Your granny … or Your great-granny ?!“

„Oh“ sagte Anna „… both passed … long ago … my granny 30 years ago“
Sie wirkte auf ein Mal weniger abweisend … eher versonnen.

Ich nutzte meine Chance und sagte ihr: „You have wonderful ocean-blue eyes“
„Thanks man … yeah like my granny“

Plötzlich wusste ich woher ich diese Augen kannte … die von der Jungen und die von der Alten …
es waren die Augen der Mermaid, die ich von Bord der „Kennicott“ gesehen hatte … und es war das Gesicht des jungen Mädchens, dass in das Café in Kodiak getaumelt war … das von dem einen Polizisten am Arm zum Auto geführt wurde um sie nach Hause zu bringen und dies war das Mädchen vom schwarz-weiss Foto, dass die alte Anna mir gezeigt hatte.

„Anna … whats going on here?“

Sie liess die Flache los, hob beide Arme, tanzte im Kreis und sang: „The life … the life … the life …!!!“

Offenbar etwas schwindelig stoppte sie … hielt sich am Tresen fest … fixierte mich, lächelte mich süss an und sagte „enjoy it man … there is only this … one and only!“

Dann kehrte der harte Blick in ihre Augen zurück …
„hey man … are you dreaming … stop starring … $ 17,- !!“

Es roch muffig … es war düster … der Hund schleckte noch immer meine Hand.

Anna stand vor mir … mies gelaunt, mit verschmiertem MakeUp … hinterm Tresen … darauf eine Flasche von dem billigen kanadischen Fusel …

Ich legte das Geld auf den Tisch … Anna warf ein paar Münzen auf die Holzplatte … ich wischte sie in meine Hand … nahm die Flasche … wendete mich zum Gehen … die Türglocke schepperte … der Hund kläffte …
„Hey man … !!" rief sie mir nach „Dont let the bastards grind You down“

Ich knallte die Tür von aussen zu und war froh den blauen Himmel wieder über mir zu haben.
Drinnen hörte ich Anna lachen … laut und herzhaft … aber wie eine alte Frau lacht … heiser.

So fuhr ich nach Anchorage, ging wieder ins „Sockeye Inn“ … hier ist alles wie immer … fast nur Arbeiter, geteilte Sanitärbereiche … alles erstaunlich sauber … sehr wenig zauberhaft hier … sehr real … was solls …

Ich nehm mal einen Whisky und tunke ein paar von den MiniDonuts, auf die ich seit ein paar Tagen irgendwie stehe, ein.



Draussen auf der Strasse kreischt ein Mädchen … 
... ich zucke zusammen …
... vielleicht sollte ich aufhören diesen Fusel zu saufen ?!
Aber nicht heute!

geschrieben und gepostet am 24. Juni 2018 18:00h im "Sockeye Inn" in Anchorage AK

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