Sonntag, 24. Juni 2018

Encouraging

Manchmal bin ich doch ein rechter Angsthase!
So schlepp ich immer das Bärenspray in meiner Tasche rum, 
wenn ich ausserhalb von Siedlungen bin. 

Wenn ich das jemand in Alaska erzähle, gibt drei verschiedene Reaktionen darauf:
  1. mildes Lächeln … 
  2. das T-Shirt seitl. hocheben, zeigen wo am Gürtel das eigene Spray baumelt
  3. … am spannendsten … der Putzmann indigener Abstammung, im Hotel in Anchorage, lacht und sagt: „Wenn Du tapfer oder verrückt genug bist, gehst Du ohne Bärenspray in den Wald … so haben entweder die Bären was zu fressen oder Du kommst noch mutiger (with a stronger heard) wieder raus“ *
    Dazu bin ich nun jedoch weder mutig noch verrückt genug … 

Gestern bestand ich eine andere Art von Mutprobe …

Ich hab mich am Morgen auf den Weg gemacht, von Glennallen nach McCarthy.
Das sind 128 Mi / 205 Km ... 
davon am Ende … 60 Mi / knapp 100 Km eine Sackgasse als Schotterpiste (on way!)
… streckenweise ein Schlagloch neben dem anderen, Abhänge mit losem Sand und Geröll direkt an der Seite, Bäche die einfach über die Strasse laufen, sehr wenig Autos auf der Strasse (ca. 10 - 15 auf den 100 Km)
Man muss ständig hellwach sein um die Schlaglöcher zu umkurven und nicht zu langsam fahren, damit die Rippenstruktur der Strassenoberfläche einigermassen erträglich bleibt … 60Km/h sind ideal … aber 60 ist zu schnell um die Schlaglöcher rechtzeitig zu sehen … manchmal … also „knall-peng“ durch … der Jeep sollte das abkönnen.
60 Km/h sind auch zu schnell um rechtzeitig für Hasen (sein Problem) oder Elche (unser Problem) oder Bären (vermutlich mein Problem) zu bremsen … also absolute Konzentration.

Dann gabs noch ein anders Ding, das ich über mir zusammen ballte … schwarze Wolken!
Nun leb ich lange genug in der Schweiz, um zu wissen, dass Unwetter in den Bergen nicht die Sachen sind, die man die man unbeachtet lassen sollte.

Mir kamen die Bäche in den Sinn, die frei über die Piste laufen und die Abhänge mit dem losen Geröll … ich dachte daran, dass ich seit ca. `ner halben Stunde kein anderes Auto mehr gesehen hatte und sah die ersten Regenschleier oben in den Steilwänden fallen.

Ich würde nicht sagen, dass ich Angst hatte … aber mein Verstand setze ein.
Es waren noch gut 40 Km zu fahren … knapp `ne Stunde … und, wenn ich umdrehen musste, rund 2 Stunden für den Rückweg.

Mein Verstand sagte ich solle umkehren … malte mir Bilder aus von weggespülten Schotterpisten, Erdrutschen und umgekippten Bäumen quer über die Piste.
Ich fuhr weiter …

Mir kamen die blödesten Abenteuerfilme in den Sinn … vor allem einer mit Anthony Hopkins und Alec Baldwin … die ewigs durch die Wildnis irren und von einem Bären verfolgt werden.
Mein Verstand sagte: „Kehr um!“
Ich fuhr weiter …

Ich dache an „Lohn der Angst“ ein Film über einen Nitroglycerintransport in Südamerika mit Yves Montand, der auch furchtbar endete! 
Nun muss ich zugeben, ich bin weder in Südamerika, noch war mein Vorrat an Nitroglycerin erwähnenswert.
Ich will das jetzt nicht mehr als „Verstand“ bezeichnen, was da in mir vorging, zumal die Wolken immer dunkler wurden und es zu Regnen begann … vielleicht doch ein wenig Angst?? … oder einfach zu viel Phantasie?? … oder beides.
Ich fuhr weiter …

Plötzlich schien ich an meinem Leben doch zu hängen und ich fand die Idee, noch ein wenig länger zu leben, mit jedem Meter den ich fuhr irgendwie … netter !! … netter jedenfalls als hier in dieser Einöde zu verrecken.  Nachdem ich mein Repertoire an KatastrophenFilmen durch hatte, kamen die Schlagzeilen dran … 
„Schweizer Bergwacht rettet 60 jährigen nach Erdrutsch unter Baumstamm vor Kodiakbären“ 
… verdammt, wo sind eigentlich die Schweizer wenn man sie mal braucht !!??
Ich fuhr weiter …

So ging das eine Weile oder zwei.
Bis ich auf die Bremse trat, entschlossen zu wenden setzte ich den Wagen rückwärts, schlug links ein und wollte grad in die Gegenrichtung abfahren, als ein Sonnenstrahl ein Spotlight auf den gegenüberliegenden Hang setzte. Dort standen nun hell beleuchte, wie im Theater, überall Lupinen.
Lupinen sind von je her meine Lieblingsblumen, vielleicht, weil sie immer so um die Zeit des Geburtstags meiner Mutter blühen und ich sie irgendwie mit ihr in Verbindung bringe.*

So nahm ich das als Zeichen und …
Ich fuhr weiter …

Mein Verstand (oder wie man das auch nennen möchte) trat in härtere Verhandlungen mit mir ein.
Ich versuchte mich fast zu zwingen umzukehren … nix zu machen!!
Ich trat voll auf die Bremse … brüllte mich selber an „kehr um Idiot“
Inzwischen regnete s nämlich draussen richtig.

Also setzte ich wieder zurück, schlug wieder das Lenkrad ein um zurück zu fahren.
Was sehe ich da, grad als ich den Vorwärtsgang einlegen will, im Monitor der verdammten Rückfahrkamera?
LUPINEN !!! … hell angestrahlt vom Rückfahrscheinwerfer.
Was blieb mir?!
Ich fuhr weiter …

So kam ich schliesslich doch nach McCarthy … 
…schön ist es da, ein Gletscher, ein reissender Fluss, mutiger Männer mit Wanderausrüstung, smarte Mädels auf Kiotis und megaschweren Bergschuhen, eine Parkplatzvermieterin mit Flipflops und ärmellosen T-Shirt, eine Fussgängerbrücke am Ende der befahrbaren Welt. Im Hintergrund ein paar schneebedeckte 4000er Gipfel. 
Manchmal kann ich die Schönheit einer Landschaft nicht beschreiben … hier fällt mir nur „wild“ ein.

Ich machte ein paar Fotos, versuchte ein Hotelzimmer zu bekommen … die wollten aber einen absolut indiskutablen Preis dafür.
„Schiebt Euch doch Euer Zimmer dahin wo die Sonne nicht scheint !!"

Ich machte mich auf den Rückweg. 
Plötzlich merkte ich, dass ich vor mich hinträllerte … irgendwas von „America“
… ich such mal den Link raus >>>> DA IST ER

Die Fahrt zurück ins die Zivilisation kam mir kurz vor, die dunklen Wolken zwischen den Gipfeln hatten sich verzogen und auch in meinem Kopf schien die Sonne … und nicht nur da … überall.

Manchmal muss man einfach was durchziehen und die blöden Filme im Kopf blöde Filme sein lassen.

… übrigens sah ich, von sehr, sehr weitem auf einer baumlosen Insel im Fluss, meinen ersten frei lebenden Bären … ein kleiner schwarzer Punkt, der sich bewegte … und ich sah ein paar von den mutigen Männern mit Bergausrüstung recht hastig sich, durch eine flache Stelle im Fluss, von der Insel weg bewegen.

Manchmal muss man einfach den Mut haben, was nicht durch zu ziehen …
die Kunst is wohl zu wissen … wann!

However …
Ich bin zufrieden in einem schönen Cabin angekommen, bei Paddy, die mir am Abend noch einen prima Hamburger machte, danach hab ich 13 Stunden auf einer himmlischen Matratze geschlafen. 
Mut macht offenbar müde!


Hier kommen ein paar Fotos

Aufbruch in Glennallen am Morgen ... hatte wohl keine Geduld ... das Bild is schief und die Drähte hängen rein
irgendwo unterwegs ... ich liebe solche Strassen
niemand hat je versucht diesen Fluss zu begradigen
da musste ich rüber
... bin ich auch ... der Hund hatte Angst ... ich auch ... hat ziemlich geschwankt das Ding
die Piste ... später als die Schlaglöcher kamen, hatte ich keine Lust mehr auf Photographieren 
die Wolken ... .. später als als sie dunkler wurden, hatte ich keine Lust mehr auf Photographieren 
angekommen am Ende der befahrbaren Welt ... von hier aus gehts nur noch mit guten Schuhen weiter
... ein Problem mit fotografieren in Alaska: sehr heller Himmel und sehr dunkle Erde und dunkle Bäume
... machmal packt die Kamera den Kontrast nicht weg ... hier hat sie nur die mittleren Werte genommen,
der Gletscher total überbelichtet, der Vordergrund total unterbelichtet ...
... wieder auf dem Rückweg ... echt ein Überflieger
ganz niedlich wenn der Bach so über die Strasse läuft, man patscht mit dem Jeep mal so durch
Ich glaub nach einem richtigen Regen ist grad fertig mit "niedlich"


... wieder Lust, schöne Dinge zu photographieren ...
... ich mag Farben ...
... dieser Filter an der Kamera macht zwei Sachen:
1. er verbessert -manchmal! den Kontrast
2. es sieht aus wie ich es durch meine Sonnenbrille sehe
... die Lupinen
... übrigens waren nicht alle meine Fantasien völlig aus der Luft gegriffen ...
... hier hat es Anfangs Mai ein paar Camper in den Fluss gespült.


LOHN DER ANGST 😂

Ich weiss nicht was Ihr tut, hier ist es bald 16:00.
Zeit für einen Whiskey und eine Pause ... vom Tippen und Photos sortieren ... hab ja schliesslich Ferien ... 
... noch 80 Tage übrigens ... da kann man die Welt umrunden, in dieser Zeit:


"Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whiskey voraus sein."
Humphrey Bogart


Ich glaub die First Nations People in Alaska haben mehr Humor als die in Nevada.

Einmal brachte ich ihr zum Geburtstag einen Riesenstrauss davon, den ich an der Autobahn gepflückt hatte … voll mit Insekten, die alle über das weisse Tischtuch ihrer GeburtstagsKaffeetafel krabbelten … sie hat nix gesagt dazu … aber sie war glaub’s stinksauer



geschrieben und gepostet 23.Juni 2018 16:13h in "Golden Spruce Cabins" Mile 9.9 Ewerton Highway, 99573 Copper Center AK



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