Mittwoch, 6. Juni 2018

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Bahnhof von Seattle
Ich mag Hotels.
Zum Glück … sonst hätte ich jetzt echt `n Problem.

Genauer gesagt, ich mag alte Hotels.
… und ich mag Höhlenmalereien … aber, das gehört hier jetzt nicht hin!
… oder vielleicht doch … die sind auch alt!

Wenn ich abends im Sessel, am Fenster meines Zimmers im „Panama Hotel“ sitze, wenn die Sonne hinter den ramponierten Fassaden von Seattles "Japan Town" untergeht, wenn es Zeit wird für einen langen Whiskey und ein paar Gedanken über den zu Ende gehenden Tag und über den Kommenden, dann muss ich irgendwann die kleine Tischlampe anzünden.
Diese Handbewegung ist mir lieb geworden. Sie hat so einen alten Schalter zum drehen, der in der 1. Stufe den unteren Glaskolben ganz schwach beleuchtet und erst in der 2. den Glasschirm oben hell macht. 
Wie in einer Blase in der Zeit lebe ich hier … es braucht nur ein paar Sekunden und ich sehe die Geister der vergangenen Gäste durch die Gänge laufen, höre verkratze alte Jazzplatten und rieche Rauch von Zigarren und Pferdeschweiss.
"Ja! … Pferde!" … das Hotel ist 1910 gebaut, auf einem alten Foto waren davor zwei Pferde angebunden …

In diesem Zimmer ist nichts neu, ausser, die Matratze … die Hotelbesitzerin erzählte mir stolz, die alte habe 25 Jahre gehalten. Mir gruselt ein wenig bei dem Gedanken … und bin dankbar dass sie durch war, bevor ich drauf liegen musste.





Das alte metallen Bettgestell quietscht bei jeder Bewegung und der bewegliche Teil des Schiebefensters klappert im Wind der vom Pacific her fast ständig weht. Es riecht nach Waschmittel, aufgewärmten Essen, nach Staub und nach den tausenden von Menschen die hier in den letzten hundertzehn Jahren geschlafen haben.

Ich glaube nicht, dass früher alles besser war. Ich denke früher war sehr Vieles viel schlechter.
Aber was mich berührt ist, dass dies kein Disneyland ist, dass es hierher keine normalen  Touristen zieht, keine Gruppenreisen, keine Heilssucher, keine Heuschreckenschwärme, keine johlenden, besoffenen Briten oder Bayern … nur Reisende und ein paar verirrte Gestalten.

Ich muss mich richtig einlassen auf dies Hotel, hier ist nichts an mich angepasst, wie im Rodeway oder Best Western oder diesem Wellness-Wohlfühl-Bezirk in den Broome, in den ich mich mal eingemietet hatte … alles wunderbar dort … aber alles irgendwie auch tot. Das einzige was da noch lebte, war das Opossum auf dem Dach und der Gärtner, der sich sein Naturell bewahrt hatte und herrlich unfreundlich war … auf den 1. Blick!

Jetzt sitze ich im alten Bahnhof von Seattle. 
Hab mir das Zugticket nach Bellingham zum Fähranleger gekauft. 
Hier gibts gut gepflegte Stuckdecken und Marmorverkleidungen an den Wänden … der Mann mit dem Wischmop flucht leise vor sich hin … wie schon sein Vorgänger vermutlich … und dessen Vorgänger … und
oops … ich hab mich geirrt … er flucht gar nicht, er singt !! …
… earphones drin, tanzt er sanft mit seinem Mop an mir vorbei durch die Halle.

… die Zeit steht nie still ...
... ausser am Abend beim zweiten langen Glas Whisky … dann höre ich, wie die beiden Männer, denen die Pferde vorm Hotel gehören mit klirrenden Sporen an den Stiefeln die Treppe rauf kommen und ich höre den Mann oben im Office schimpfen, sie sollen die verdammten Sporen abnehmen, weil sie sonst seinen verdammten Fussboden ruinieren, sonst fliegen sie raus … verdammt !!


Dann weiss ich, es wird verdammt Zeit für mich ins Bett zu gehen …

Good night, Guten Morgen, Good Luck




geschrieben in "King Street Station" dem Bahnhof von Seattle am 5. Juni um 9:30h
gepostet am Abend des selben Tages im Café des "Panama Hotel"

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