Mittwoch, 6. Juni 2018

Caking


Ich habs ja nicht geglaubt, dass „festgebacken“ im Sinne von festhängen oder festgerostet auf Englisch wirklich „caked“ heisst.
Woraufhin mir der Nachtportier erzählte, dass „Caked Screw“ auch ein Schimpfwort für eine Frau ist, die sich nicht einlassen möchte … "ähm" … böse … aber nachvollziehbar.

In der Entwicklungslehre unterscheidet man Akkomodation und Assimilation.
Während das eine einen Lernprozess meint, der Vorhandenes erweitert,
schafft das Andere eher eine Eingliederung neuer Erfahrungen in den Lernprozess.

Nach und nach adaptiert das Kind so (jedenfalls in der Theorie) die Welt.

Nicht anders geht es dem Reisenden!
Zum Teil muss er das mitgebrachte Wissen, von daheim nur ein wenig modifizieren, 
andere Sachen, muss er aber als völlig neue Erfahrung … erstmal zulassen können … und dann erlernen.

„Mann, bist Du ein elender Klugscheisser!“ höre ich jemand auf Deutsch sagen.
Ich muss mich nicht mal rumdrehen um zu wissen wer das ist, 
die Stimme kenn ich wie meine eigene! 
... Foftain!

„Jetzt kannst Du Dir die ganze Stadt angucken und hängst nur hier im Viertel ab und schreibst rühriseelige und schläuliche Artikelchen?!! … den Scheiss von gestern hab ich gelesen … mir kommen echt die Tränen.“

Er setzt sich zu mir an den Tisch. Seine Jacke ist am Kragen zerrissen, und sein T-Shirt …. shit … nein, das ist Meins!! … hat eine Art Schnitt quer über die Brust … ausserdem hat er ein blaues Auge und an einer Stelle an seine Kopf fehlen die Haare.
Sein Gesicht ist fahl und er stinkt und seine ….
„Hör auf mich anzuglotzen Blödmann!! Sonst hau ich Dir hier vor allen Leuten eine rein!"
Da wir mitten im Café sitzen und ich weiss, dass er tut was er sagt, gucke ich lieber die Kellnerin an. 
„…. … und hör auf die Tusse anzuglotzen … au verdammt! … hat die schöne Augen …“

„Apropos Augen ... haste Prügel gekriegt!?“ frage ich ihn „Steht Dir gut, Mann … vor allem das Veilchen!“

„Halt die Fresse … „ … „ ... Aber diesmal bin ich schneller:
„Ich mach Dir`n Vorschlag, erstmal gehen wir mal rüber zum Friseur und Du lässt Dir die restlichen Haare abschneiden und dann kaufen wir `ne Hose und `n Hemd für Dich“

Er schnappt sich meinen Kafi, kippt ihn runter, fixiert mich scharf über den Tassenrand und „O.K.!“

Die chinesische Friseuse guckt uns beide befremdet an. Mir sagt sie freundlich „Hi Sir!“ 
Foftain begrüsst sie etwas pampig mit „$ 36,- plus washing"

Ich warte also und vertiefe mich in eine Zeitschrift über Kaffeeröstereien während sie ihn bearbeitet. 
Ich höre die Haarschneidemaschine brummen und die Klimaanlage rauscht.

„Ready Sir!“
„HEY Mister … wake up … I’m ready!
Es duftet nach frisch geröstetem Kafi …

Jemand rüttelt mich unsanft an der Schulter.
Ich öffne die Augen und sehe … eine Kafitasse und
nein nicht Foftain … ich sehe mich selber.
Im Spiegel vom Friseursalon.
Die chinesischen Friseuse steht hinter mir und grinst!
Ich drehe mich rechts und links, Foftain is weg.

„Where is the man, I come in with?“ frage ich sie
Sie hört auf zu grinsen, guckt ernst.
„You came alone, Sir“ sie sieht ein wenig besorgt aus.

An der Kasse sagt sie „$ 21,- Sir!“
… na immerhin billiger als im Traum!

„You have beautiful ears Sir, very large, that means a long life!“
„Thanks Ma`am“ antworte ich brav „… and You have beautiful eyes!“ rutscht mir noch raus.
Sie hebt beide Arme und wedelt damit wie eine Siegerin in der Luft rum.
„Yeeeehaaaa … good for business!“

Soweit meine Erlebnisse von heute Vormittag!
Foftain ist verschwunden … mal wieder!
… oder er war eben gar nicht da!

Aber Recht hat er trotzdem, ich bin hier im Viertel richtig festgebacken, und hab das hier alles so adaptiert, dass mich am Morgen jemand nach dem Weg zum Bahnhof fragte.
… ich wusste ihn sogar … war grad auf dem Weg dahin … 

Aber davon hab ich ja schon erzähle ich im vorherigen Artikel, 
aber in dem ging’s  ja eigentlich um was völlig Anderes …


Wie immer so …


geschrieben im Café "Zeitgeist" in Seattle am 5. Juni 2018 um 13:15
gepostet am Abend des selben Tages im Café des "Panama Hotel"

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