Donnerstag, 14. Juni 2018

Fantasizing

Es ist natürlich ein Klischee, ein alter, mehr oder weniger einsamer Mann, der säuft.
Ich würde mich …
… oder … nein … ich wehre mich tatsächlich gegen den Vorwurf ich söffe ... und einsam bin ich eh nicht ... manchmal allein, aber das gefällt mir sehr !

Nun geht man nicht 60 Jahre durch diese Welt, ohne ein Minimum an Misstrauen auch gegen sich selber … gegen den Rest der Menschheit sowieso … zu entwickeln.

„5% sind immer dran … “ sagte mir mal ein anderer, kluger, alter Mann. 
Also: „5% sind immer dran, wenn Dich jemand kritisiert.“
„… und über DIE reden wir … über diese 5%!“ … fügte er hinzu.

Aber das sind so Vorsätze, die Mann sich fasst:
Ich laufe dies Jahr mehr die Treppen, nehme nicht den Lift und koche mir gesundes Essen und -eben- trinke weniger Alkohol.
Wie sagte der der damals 7jährige Sohn einer ehemaligen Geliebte jeweils: 
„Träum weiter!“

Es gibt jedoch ein paar eiserne Regeln, an die ich mich konsequent halte!

- Beginne eine Reise immer im Osten.
- Putz Deine Zähne mit kaltem Wasser.
- Jeden Tag 3 Tassen Grünen Tee.
- Glacé und Schoggi (Zucker!) nur 1x/ Woche.
- Fang nicht vor 4h am Nachmittag an zu trinken …
… und nicht länger als bis Mitternacht.

Es gibt noch ein paar andere Regeln … aber die sind entweder zu intim oder schlicht … noch langweiliger, als die oben.

Bevor also der geschätzte Leser hier aufhört das zu tun, was eben ein Leser so tut, komme ich doch besser mal zu dem was ich eigentlich erzählen wollte.

Inzwischen habe ich 4 Tage auf dieser Fähre verbracht, von der der Chefingenieur, der heute die Führung durch den Maschinenraum machte, sagte, das sei keine Fähre, sondern ein Schiff.
Denn manchmal lieben die Menschen ihre Arbeit und die Dinge die damit zusammen hängen. Dann verändert sich ihre Wahrnehmung … und wie oft, wenn es um Liebe geht, auf eine eher dem Leben zugewandte Seite.

So verplapperte ich den Abend mit den drei „S“ (s. Artikel vor), sie süffelten Weisswein aus ihren Kafibechern und ich den billigen kanadischen Whisky aus einer Apfelsaftflasche.
Alle rochen an meiner Flasche und waren einhellig der Meinung, dass sei besonders guter Apfelsaft … sie wollten aber lieber bei Kafi bleiben 

Wir entschlossen uns, dass jeder seine Lebensgeschichte erzählt ... 
… aber es redeten alle durcheinander und aus 4 eh schon bewegten Geschichten wurde eine Grosse, total verworrene, was aber im Prinzip nicht schlecht war, denn darüber wie jemand seine Geschichte erzählt, erfährt man halt viel mehr über ihn, als über den Inhalt.

Die Sonne stand knapp über dem Horizont, aber in diesen Breiten und zu dieser Jahreszeit geht die Abenddämmerung bis nach Mitternacht und die Morgendämmerung beginnt schon 3 Stunden später.
So muss man den richtigen Zeitpunkt zu gehen selber finden … irgendwo zwischen Nacht und Tag.

Irgendwann wurde mir das dann zu viel … das Geplapper, der Unfug und der Whisky.
Das Schiff schwanke viel mehr als sonst, hatte ich den Eindruck … hoher Seegang eben.
Noch ein wenig den Kopf auslüften … dachte ich mir, ging auf das menschenleere Deck, genoss den Nachtwind und die milde Licht.
Das dumpfe Bullern der Maschine und das Rauschen der Bugwelle lullten mich ein. ich setzte mich in einen der Sonnenstühle, schaute in den dunkelblauen Himmel und schlief wohl einen Moment lang ein.
Das Geräusch eines blasenden Wales liess mich aufstehen und an die Reling treten.

Das Meer war glatt, eine lange Spur von Licht führte zum Horizont, dorthin, wo der der Mond stand. 
Kein Zeichen für einen Wal … keine Fontäne, keine Finne … auf der spiegelglatten See wäre mir das nicht entgangen.
Trotzdem kam das Geräusch wieder … genau unter mir, direkt am Schiff.
Ich lehnte mich über den Handlauf, schaute senkrecht nach unten, sah noch grad, wie etwas Helles in der Tiefe verschwand. Ein paar Blasen stieg auf, wurden vom Kielwasser des Schiffs weggespült.
Eine Robbe vielleicht, oder ein Delphin … however … es war weg.
Ab ins Bett dachte ich mir … morgen muss ich 5:00 raus, um 6:00 landen wir im Hafen und ich muss dringend Wifi finden. 

Wie ich mein Zeug um den Liegestuhl herum aufsuche, ist das Geräusch wieder da.
Ich also wieder zur Reling, guck nach unten und mir läuft ein Schreck heiss durch die Adern. 
Da schwimmt ein Mensch im Wasser … 
... eine Frau, in einem silbernen Badeanzug.

Mein benebeltes Hirn spielte alle Möglichkeiten durch … aber alles machte keinen Sinn vor dem Hintergrund, dass sie … diese Frau ... scheinbar mühelos die Geschwindigkeit des Schiffes hielt … das sind immerhin 17 Knoten … rund 32 Km/Std … absolut unmöglich, dass jemand so schnell schwimmt. Noch während ich das alles denke, muss ich angefangen haben zu schreien oder zu rufen … völlig hirnloses Zeug … „Was machen sie da? … brauchen sie Hilfe?“
Sie aber … was auch immer das war … machte wieder diesen Ton … als wenn ein Wal bläst und tauchte ab in die Tiefe.

… ich sass eine Weile … ich sass tatsächlich platt auf dem Deck … war wohl irgendwie zusammen gesackt … sass ein Weile da.
Vielleicht so ein Taucher … dachte ich … mit so einem Motor als Antrieb … aber so weit von der Küste … vielleicht mit einem Boot hier draussen … taucht nach irgendwas … Schiffswracks ? … 
… aber nur im Badeanzug … das Wasser hat höchstens 5-10°C … und so nah am Schiff … das würde kein Taucher, der einen Rest von Verstand hat, je tun … also doch ein Notfall … und dann noch eine Frau …

Da war das Geräusch wieder … ich sprang auf … beugte mich über die Reling … da war sie … kein Motor und kein Badeanzug … sie war total nackt … nein, eigentlich nicht nackt ... sie hatte eine silberne Fischhaut ... sie schwamm jetzt auf dem Rücken … ich konnte sie genau sehen ... keine Beine … ein grosser Fischschwanz … sie winkte mir … ozeanblaue Augen ... sie lächelte … ich kannte diese Frau irgendwo her … wollte ihr Gesicht genauer sehen … beugte mich weiter über die Reling.

In dem Moment zog mich jemand von hinten an der Jacke dann am Kragen „… are You mad? … You`ll go over board!“

Zwei von den 3 „S“ standen über mir, ich sass wieder platt auf dem Hintern auf Deck.

Ganz aufgeregt versuchte ich ihnen klar zu machen, was da unten neben dem Schiff schwamm … sie traten an die Reling, schauten runter … „There is nothing!“ 

Beide schauten mich an … „May be … You have a little to much from this strange apple juice ? … better You stop that!“


Na gut! … mag sein, ich hab im Suff was gesehen, was so gar nicht da war.  
Aber!!! ... wie ein anderer, kluger, alter Mann einmal sagte: „5% sind immer dran!“







Geschrieben 13.6.2018 um 20:30 an Bord der "Kennicott"
Gepostet 14.06. 2018 um 9:15 im "Wild Catch Café" in Whittier AK

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