Donnerstag, 17. Mai 2018

Hiding

16. Mai von Port Sanilac am Lake Huron entlang  bis Epoulette am Lake Michigan

Die Freunde in Vermont haben mir geraten, wenn ich schon nicht durch Detroit und Chicago fahren will, wenigstens den „Thumb of Michigan“ anzuschauen. Sogar der Grenzbeamte, die Sorte Leute, die sonst weder für Freundlichkeit oder Redseligkeit bekannt sind, sagte, dort sei es „beautiful“ und rang sich ein Lächeln ab.

Also … obwohl ich ja sonst nicht so für „Was Angucken“ bin (noch immer tief traumarisiert von den gefühlt 748 chinesischen Touris in Broken Hill) habe ich mich also auf den Weg gemacht … gar einen Umweg von 70 Km akzeptiert.

Letztlich, hat es mir eine neue Seite im „Buch-USA“ aufgeschlagen … nein kein Kapitel … eine Seite. Wohl hauptsächlich deutsche und niederländische Auswanderer dort … alles friesisch piekfein … alle Häuschen wie frisch gelackt. Die ehemals ertragslosen Ufergrundstücke am Lake Huron an die Neureichen aus Detroit verkauft, die da ihre Understatement-Protz-Wochenend-Vorzeige-Villen hingepflastert haben. 
So fuhr ich, nach Norden am Ufer den Lake Huron, die Villen immer rechts, die Bauernhöfe immer links. Rechts tote Hose, links Arbeit und Kinder auf Schaukeln und Pferde … ein normaler Mittwoch.

Dann wieder nach Süden, die andere Seite des „Daumens“ herunter.
Richtung Norden, dann wieder Richtung Mackinaw City, dort wo eine riesige Brücke den Sund zw. Lake Huron und Lake Michigan überspannt.

Dieser Weg nach Norden ist die Interstate 75, die durch eine wunderbare Wildnis gebaut ist. Über 300 Km fast nur Wald und Sümpfe und tundra-ähnliche Flächen.

Endlich eine fast leere Strasse für mich allein … ab und zu eine Tankstelle, ein kleines Dorf, ein paar Häuser. Ansonsten …. NIX. Langsam kommt das alte Feeling wieder, nach den vollen Autobahn in USA und Kanada, den verstopften Städten mit Ampeln und Staus.

Musik an, Kafi trinken, einfach fahren ….

… so tauche auch Foftain nach langer Zeit mal wieder auf.
Vom Rücksitz aus tippte er mir auf die Schulter und fragte, wo der Whiskey sei.
„Im Kofferraum und da bleibt er auch!!“ 
Er knurrte eine Antwort.

Wir quasselten so über dies und das … über New York, über Frauen und warum ich so oft gestresst war. „Es macht null Spass mit Dir, wenn Du so drauf bist“ hielt er mir vor.

Das ging so eine Weile hin und her … bis es still wurde hinten, als ich mich umdrehte war er eingeschlafen.
Die Tankanzeige ging gegen 1/4 und ich dachte es sei gut eine Pause zu machen.

„Next Gas, Food & Lodging Exit Wolverine“ 
… ein Witz ?! … ich musste 2x lesen.
Tatsächlich! 
Eine Tankstelle mit Shop.
Vor den Zapfsäulen nur Pickups, ramponierte Mazdas und Toyotas, ein paar Trucks.
Dürre bärtige Männer mit dreckigen Jeans und noch dreckigeren Hunden, dickliche Frauen mit 3-4 Kindern mit verschmierten Mündern. 

Drinnen gabs echt Alles von der Angel bis zur Avocado vom Zapfhahn bis zur Zahnpasta.
Wohl der einzige Laden im Umkreis von vielen Kilometern.

Also schnell mal in den Restroom den Kafi vom Morgen wegbringen, Neuen holen und 30$ Prepaid für Säule Nr. 10.

So steh ich als mit Kafi und 35$ in der Schlange vor der Kasse, die Kinder brüllen, die Hunde kläffen, die Mamis schimpfen, die Typen dräuen vor sich hin.

Zwei Leute weiter vor mir, ein Riesenkerl mit ewig langen Armen. Mit einem total zerbeulten Filzhut, Jeans mit Hochwasser und einem etwas knapp geratenen weiss-rot karierten Hemd.
An den Füssen Stiefel in  … ich würd mal schätzen Grösse 56.
Über den Rand der Stiefel hängen dunkelbraune, flauschige Socken immerhin, denke ich noch, trägt er Socken. Aus den zu kurzen Hemdsärmeln schauen die Ärmel des Unterhemdes raus, die sehen irgendwie genau so wie die Socken aus … als habe er einen Strampler mit Füsschen an.
An den Händen dicke Arbeitshandschuhe um den Hals ein Tuch in der Grösse eines Badelakens … 
… und der Typ stinkt … das ich es über 3 Meter riechen kann.


Als er dran ist mit bezahlen, knallt er eine Flasche Wild Turkey auf den Tresen und ein Sixpack Steaks, dazu grunzt er was vor sich hin.
Die Verkäuferin fragt ihn ob er auch getankt hat. Erst schüttelt er nur den Kopf, aber der Frau reicht das nicht, sie fragt noch mal. 
Da gibt der Typ Töne von sich, die ich noch nie zuvor irgendwo von einem Lebewesen gehört habe. Es beginnt mit einem orgelnden, hohen Flöten und geht in ein unterirdisches Blubbern, fast Dröhnen über. Alle gucken ihn an. Er scheint sich plötzlich klein zu machen, was bei seiner Grösse ein Kunststück ist, schüttelt wie ein schüchternes Kind wieder den Kopf, kramt eine Handvoll Dollarscheine aus der Westentasche seines Hemdes legt sie zögernd neben die Kasse und geht zur Türe. 
Die Tür öffnet automatisch, was ihm wieder ein Grollen entlockt. 
Durch das Fenster sehe ich wie er Richtung Waldrand geht, die letzten Meter läuft er, er rennt sogar … unglaublich schnell ist er dann verschwunden, kein Ast der engstehenden Bäume bewegt sich.

Im Laden ist es still, geworden, die Hunde kneifen die Schwänze ein und drücken sich an die Beine der Herrchen, die Kinder sind blass und so ruhig, dass die verstummten Mamis auch gar nichts mehr zu schimpfen hätten und die Typen stehen da, man kann es sogar durch die Bärte sehen, mit offenen Mund. Ich denke, ich habe wohl auch kein sehr viel klügeres Bild abgegeben.

Einzig die Kassiererin ist ganz unbeeindruckt … „Kommt so alle zwei Wochen mal rein … kauft immer das Selbe … Whiskey und jede Menge Steaks … könnte mal duschen der Kerl … stinkt wie`n totes Maultier“

Das bricht das Eis … die Kinder schreien los, was wiederum die Hunde zum kläffen bringt, die Mamis zum Schimpfen und die Kerle kauen, soweit nicht auf den Boden gefallen, ihre Kaugummis weiter.

Als ich zum Auto komme und den Zapfhahn in den Tank stecke, steigt Foftain aus. ich sehe ihn sehr selten so aufgeregt.
„ … haste den Kerl gesehen? Weisste was das war? …. und weisste was der in der Hand hatte??“
„Ja hab ich, nö weiss ich nich, ja weiss ich!“ … ganz manchmal bin ich eben auch cool !

„Das war ein Sasquatch … ein Waldmensch … unglaublich“ … und der hatte ne Flasche Whisky in der Hand" 
Foftain gaffte Richtung Wald, dann drehte er sich wieder zu mir: „Wo hast Du gesagt ist unser Whiskey?“
„Mein Whiskey … und immernoch im Kofferraum und da bleibt er auch“

Der Tank war voll, ich hängte den Zapfhahn wieder ein, machte dan Tankdeckel zu … als ich Foftain sage er soll einsteigen, sehe ich grade noch wie er auf den Waldrand zu läuft, dabei hält die rechte Hand hoch, den Mittelfinger gestreckt. 


So fuhr ich allein aus Wolverine ab weiter Richtung Norden.





geschrieben am 16. Mai 2018 Epoufette Michigan









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