Sonntag, 12. August 2018

Slowing





Bevor ich begann, mir alle paar Jahre eine Auszeit zu nehmen, hab ich natürlich Ferien gemacht wie alle anderen. Meistens so 2 oder 3 Wochen am Stück … eine Woche blieb immer reserviert für Weihnachten und ein paar Tage für Dies und Das. 
Je verantwortungsvoller meine Jobs waren, desto stressiger waren sie auch für mich. 
Die erste Woche meiner Ferien kam ich keinen Deut von diesem Stresslevel runter kam. Das merkte ich aber nicht in dieser ersten Woche, sondern erst dann wenn etwas Ruhe einkehrte.

Die Ferien mit meinen Eltern oder, später dann, mit meiner jeweiligen Freundin … jedenfalls immer in Begleitung … was ja auch oft ganz schön ist … aber den leidlichen Nebeneffekt hat, dass man mindestens den privaten Teil der Stressfaktoren mit in die Ferien nimmt.

Es ist zwar nicht sehr populär, zu sagen, dass meine Lieben mich stressten, aber ich schätze mal, 79% aller Leser nicken zustimmend und einige seufzen und … ich hoffe … ein paar von denen, die eben geseufzt haben, machen ihren Sozialadhäsiven den Vorschlag, dass jeder mal allein eine Ruhepause nimmt.

Wie ich dazu komme Ratschläge zu geben ?!

Na, ja, Tatsache ist, ich bekam selber Ratschläge, die ich aber zuerst gar nicht beachtete.

Ich ging in Tokio in einen buddhistischen Tempel, las die ausgehängten Gebetsrituale durch, schaute ein wenig wie das praktiziert wurden, zündelte ein Bündel Räucherstäbchen an und kaufte mir für 200 Yen einen Zettel aus einem Holzkasten, der Ratschläge für das Leben enthält. 
Ich las ihn durch, musste schmunzeln, stopfte ihn in meine Tasche und vergass sowohl Inhalt als auch Zettel.



Man kann wohl sagen, dass meine Art zu Reisen … nicht grad auf Erholung getrimmt ist.
Zwar hab ich hier und da Erholungsphasen in die Planung eingebaut, aber wie sich rausstellte, waren die offenbar zu kurz oder/und ich hab sie dann doch mit Aktivitäten vollgestopft … wohl auch, weil ich immer denke, ich muss die Zeit an jedem Ort so nutzen, dass ich einen möglichst einen umfassenden Eindruck bekomme.
Man kann es auch ganz einfach sagen … meine Art zu Reisen ist stressig. 
Nicht nur, wie ich immer vermutete, für Andere, sondern auch für mich selber.

However …
… auf Hawaii … was meine erste geplante Ruhezeit sein sollte … bekam ich dann auch prompt, zwei Tage nach der Ankunft, einen Ischiasvorfall vom Allerfeinsten. Die Details lass ich weg … nur so viel, ich ging letztlich in die Notaufnahme vom Krankenhaus und liess mich behandeln.
Dadurch wurde es langsam besser und so habe ich hier auf Okinawa einfach weiter gemacht wie zuvor, bin hier hin und dort hin gefahren, hab mir dies und das aus dem Internet gesucht … ein historisches Restaurant, ein Tempel, ein Garten, ein Kochkurs, zwei Tauchgänge, Fahrten an den Strand und in die Berge.
"Knall-Peng" … kam der Schmerz wieder! Diesmal links statt rechts!

Der Ort an dem ich hier auf Okinawa lebe, ist eine Art Pension und besteht aus 2 Häusern, die durch eine Terrasse verbunden sind. 
Ich hatte hier nur ein Zimmer gebucht, bekam jedoch fast für die gesamte Zeit, eines der beiden Häuschen ganz für mich allein, ein ungeheurer Luxus … ich kann mich ausbreiten und … was bei der Hitze hier gut ist … den ganzen Tag in Badehose rumlaufen.
Das Haus liegt an einem Waldstück auf der einen Seite und einer Wohnsiedlung auf der Anderen.
Es ist ruhig hier und unkompliziert und einfach ein Ort zum Entspannen.

So sass ich also mit meinem zweiten Ischiasanfall in all diesem Luxus und in all dieser Ruhe und frage mich … was eigentlich los ist mit mir … warum ich dauernd krank werde und gestresst bin.
Die Antwort kam als ich … trotz Schmerzen … mich auf den Weg machte zu einem alten Heiligtum im Südwesten der Insel. 

Es war heiss und die Luftfeuchtigkeit war atemberaubend … im wirklichen Sinne.


Ich schleppte mich mit meinem Ischias durch den tropischen Wald, bergauf und bergab, schwitzte so sehr, dass meine Kleider zum Auswringen nass waren und nervte mich über die Touristen, die dauernd ins Bild liefen, wenn ich ein Foto machen wollte.

Dann packten zwei von den Touristen eine Matte aus, knieten sich vor den Felsen auf den Boden und beteten. 
Wirklich kein Grund auf diese Leute genervt zu sein!
Ich stand eine ganze Weile dort, vergass beinahe den Schmerz in meinem Rücken, die nassen Kleider und das Photographieren, schaute einfach nur auf dieses Bild der beiden Betenden.

Mir wurde hier ganz klar, dass ich so nicht weiter machen konnte.
Ich ging, schaute mir den Rest des Heiligtums an, photographierte einfach die Felsen mit den Menschen die davor rumstanden und … das hört sich jetzt vielleicht etwas seltsam an … bewegte mich langsamer, hörte auf so schlimm zu schwitzen und die Schmerzen wurden erträglicher.

UNESCO Weltkulturerbe ... Das alte Heiligtum SEIFA UTAKI *

Link zur Website 

Ausblick direkt hinter dem Durchgang von dem Bild vor

Am Abend in meinem ruhigen Häuschen, wusste ich, ich brauchte dringend eine Veränderung. 
Aber welche … wer konnte mir Ratschläge geben?

Da fiel mir das Zettelchen aus dem buddhistischen Tempel in Tokio wieder ein … eine schwache Erinnerung an mein eigenes Schmunzeln kam wieder und ich suchte es. 
Es war noch genau dort wo ich es hingestopft hatte, als habe es dort auf mich gewartet.
Ich faltete es auf, las es und sass staunend davor.

Nun werde ich den Teufel tun, zu verraten, was mir geraten wurde.
Aber natürlich kann Ichs doch nicht so ganz sein lassen, so dass ich wenigstens erzählen muss, was unter der Rubrik „Gesundheit“ mir vorgeschlagen wurde … das vor allem deswegen, weil es passt  wie der Stecker in die Dose, weil es mein Erlebnis in dem alten Heiligtum Seifa Utaki bestätigte  und weil es ganz direkt mit meiner Reiserealität verknüpft ist.

Gesundheit
Es ist wichtig, langsamer zu werden und Zeit für Ruhe zu haben.
Alles im Leben wird sich in eine gute Richtung bewegen, wenn du ausgeruht bist


Ich hörte auf, mir Sachen aus dem Internet zu suchen und dort hin zu fahren, lag morgens einfach im Bett rum bis ich aufstehen mochte, bummelte an den Strand, wenn ich Lust hatte, badete wenn ich wollte, liess es sein, wenn nicht, kochte mir was zu essen, wenn ich kochen mochte, holte mir Fertigfutter wenn das Kochen mir zu viel wurde. Als ich Lust auf Gesellschaft hatte, plauderte ich ein wenig mit meinen Vermietern und als ich etwas unternehmen mochte, bezahlte ich den schon lange ersehnten Kochkurs.

Heute nun … bin ich den ersten Tag fast ohne Schmerzen … hab wieder Lust zu schreiben, kann auch lange genug sitzen um zu schreiben und werde heute mein Häuschen verlassen müssen.
Die Vermieter haben eine Familie, die hier gebucht hat … und mir steht ja eigentlich nur ein Zimmer zu.

So beginnt ein neuer Absatz im Kapitel „Okinawa“ … und wenn die Schmerzen wieder kommen, dann mach ich einfach noch langsamer … schliesslich hab ich ja Ferien!  

... wie immer kam der Witz zum Schluss ... 
... heute am Morgen fand ich folgenden Eintrag auf einer Website zu dem alten Heiligtum Seifa Utaki :

"Find yourself at the dawn of Okinawan history at Seifa Utaki,
where small shrines mingle in harmony with the rocks and trees." *


That's the way it works !


* es gibt offenbar mehrere Schreibweisen u.a. auch Sefa-Utaki, Seefa-utaki und natürlich  斎場御嶽, 

* die Bedeutung ist eigentlich nicht, sich selber zu finden, sondern "sich dort einzufinden" ... 
     aber mir gefällt meine erste Übersetzung natürlich viel besser!


Geschrieben und gepostet am 12. August 2018 um 13:29, Okinawa, Onna im "Daisy`s Inn Howdy"



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