Samstag, 3. Juni 2017

Amazing

Warum ich reise und was ich suche … da draussen allein und dann noch grad in der Wüste, da is doch nix!

Dust Devil in der Wüste von Nevada
Eigentlich hat alles vor 35 Jahren auf einer Sanddüne, auf einer Insel in der Nordsee begonnen.

Ich hatte gekifft und gesoffen und war offenbar einfach losgelaufen. Irgendwo legte ich mich hin oder fiel um.
Das Glück war auf meiner Seite, denn es war Sommer und ich schlief wohlbehütet und erwachte tief in der Nacht.
Auf dem Rücken liegend schaute ich in den Sternenhimmel und war überwältigt, die Tränen kamen mir ich heulte vor Ergriffen sein.
Mit meinem vergifteten Hirn konnte ich nicht mehr so recht das Oben und Unten unterscheiden und in einer unvermittelten Täuschung, schien mir, als sei der Nachthimmel unten und ich würde jetzt in diese schwarze Unendlichkeit hinabstürzen. Ich schrie vor Angst und Schrecken, suchte mit den Händen nach einem Halt, 

fand nur ein Büschel Strandhafer, den ich in meiner Panik ausrisse. Der Sand streute über mein Gesicht, 
in meine Nase und Mund und Augen. 
Das brachte mich im allerwahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Erde.

Von dieser Nacht an war ich lieber Draussen als Drinnen. Ich wollte wandern um die Einsamkeit zu suchen, die Ruhe, den Himmel, die Sonne, den Mond und … natürlich … die Sterne.

Von der Natur lernen“ da ist so ein dämlicher Ausdruck, der in mir lange Jahre bestenfalls Verachtung erzeugte. Denn ich wehrte mich gegen das Glück draussen zu sein, verbrachte meine Zeit lieber mit Frauen, Fressen, Fernsehen und Arbeit und Nichtstun.

Das änderte sich vor ein paar Jahren, an einem der letzten heissen Tage eines frühen Herbstes. Ich machte mich auf, zu einer Wanderung am Doubs entlang
. Mein Lunchpäckchen hatte ich daheim vergessen und so bekam ich nach ein paar Stunden Laufen Hunger und mir wurde etwas schwindlig.
Aber wie das im Herbst so ist, überall stand oder hing was zum Essen an den Bäumen und Büschen. Besonders die prallen, schwarzen Brombeeren gefielen mir. Mit ein paar Kratzern an den Fingern und einer Handvoll Beeren bin ich zum Wasser, hab sie gewaschen und gegessen. Nach nur ein paar Minuten war all der Schwindel weg und die Müdigkeit und der Hunger sowieso.
Niemand war zu sehen, der Doubs wirkte verführerisch und erfrischend. Ich zog mir die Kleider aus und liess mich in den Fluss gleiten. Es war so herrlich kühl und duftete nach Wasser. Ich tauchte unter, genoss die paar Sekunden die Unterwassergeräusche, die sich wie schwere Würfel auf einer mit Filz bezogenen Steinplatte anhörten. Tauche wieder auf und sah, dass ich abgetrieben war.
Gegen die Strömung schwimmen ging nicht so recht, kostete enorme Kraft. Also klettere ich zwischen ein paar Büschen an Land und ging nackt zu meinen Kleidern zurück.

Lange lag ich im Gras am Ufer, hörte dem Fluss zu. Ich dachte Nichts, ich wollte Nichts.
… ein paar Augenblicke in einer Ewigkeit verbunden mit der Realität jenseits von Geld und Stress und anderen repressiven Strukturen.


In diesen Momenten wusste ich, dass ich reisen wollte.

Ein anderes Mal, dass ich so aufging in Etwas war irgendwo in der Wüste von Nevada.
Auf einer dieser langen, graden Strassen, die sich am Horizont verlieren. Links tanzten zwei Dust Devils miteinander und vor mir lag ein dunkeles Gebirge, zur anderen Seite erstreckte sich so weit ich schauen konnte die Wüste und über mir der endlose Himmel.

Ich stieg aus dem Auto, setzte mich in seinen Schatten in den Sand und lauschte. 

Keine Zivilisationsgeräusche, nur der Wind, die Hitze und die Kargheit und Einsamkeit. So muss sich wohl ein Gläubiger in einer Kirche, Moschee oder Synagoge fühlen. 
Ich war so andächtig, dass ich erst ganz still wurde, fast den Atem anhielt. Dann musste ich plötzlich laut lachen ob des geschäftigen Treibens der Menschlein ... dann liefen mir ... mal wieder ... die Tränen.
Sie kamen mir alle vor wie Kinder, die einen von diesen SpielzeugLäden zu Weihnachten bekommen haben und sich nun gegenseitig mit ernsten Gesichtern irgendwelche Dinge verkaufen.

Das Reisen verändert meine Wahrnehmung der Welt ...
Das ist wohl was ich suche ...
... letztlich wohl mich selber ... nehme ich an.



Luzern, 3. Juni 2017

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