Ich solle ein Buch schreiben.
Sagt mir der eine oder andere Leser, hin und wieder.
"… über was??" … frag ich.
Das Leben besteht aus Momenten …
die Götter mögen mich bewahren davor, es als konsistente Erzählung verstehen zu müssen.
Zehn Jahre hab ich Architektur studiert, die Regelstudienzeit war damals vier Jahre.
Ich gebe zu ich hab mich rumgetrieben, hab mir Zeit gelassen, hab mich vor dem Erwachsenwerden gedrückt, so lange es ging.
Ich habe gearbeitet um mir diesen Freiraum zu finanzieren als Rowdy, als Bühnenarbeiter, als Innenausbauer, Taxifahrer, Tischler, Werftarbeiter, Fensterbauer, Hilfskoch, Barmann, Kellner und bekam ein wenig Geld von den Eltern. Wohnte in einer Wohnung ohne Bad und Heizung und meine Liebste lebte 300Km entfernt.
Ich arbeitete wohl mehr als jeder der in einem festen Beruf steht … aber mir schien das immer noch sicherer als die Verantwortung des Erwachsenseins zu übernehmen.
Ich hatte abgrundtiefe, furchtbare Ängste davor.
Ich lebte in einer gigantische Seifenblase, die ich um mich herum aufblies, die meine ganze Kraft kostete um ihre Lecks zu dichten und den Innendruck aufrecht zu erhalten.
… zum Glück war ich klug genug, all dies zu bemerken und mich selber damit nicht allein zu lassen.
So probierte ich Dies und Das um einen Weg zu finden.
Ich erinnere mich an eine Serie von Workshops, die ich machte zum Thema „Dehypnose“ … egal … muss niemand verstehen … jedenfalls:
... jeden Morgen machten wir die „Dynamische“ was eine Meditation ist, die aus vier Teilen besteht.(1)
- Schreien und Schlagen
- Springen
- Tanzen
- Liegen
Eine Woche lang, jeden Morgen, VOR dem Frühstück.
Schreien und Schlagen … viel mir schwer … um die Zeit … fällt es wohl 95% aller Menschen schwer, man hat so seine Widerstände vor dem 1. Kafi.
Springen … war mühsam, wir hüpften 20 Min. auf der Stelle und die Beine taten weh und es war albern, gegen Albernheiten vor dem 1. Kafi … hab ich auch so meine Vorbehalte.
Tanzen … war O.K.
Liegen … war prima!
Nach ein paar Tagen mit viel Körperarbeit und Gruppenerlebnissen wuchs ich in etwas hinein … man kann es vielleicht als eine Haltung von entspannter Gleichgültigkeit beschreiben.
Kein böses „Ich-Scheiss-Drauf“ kein Kadavergehorsam, keine „Is-Ja-Bald-Vorbei“ Haltung.
"Nöp!" … es war einfach zu mühsam diese dämlichen Widerstände mit mir rum zu schleppen … zusätzlich zu dem Geschrei, dem Hüpfen und den Begegnungen mit mir selber und den Anderen.
Also ging ich dann am Samstag der Woche etwas belustigt ob der wiederkehrenden Torture und etwas gedankenlos wegen der Unausweichlichkeit des Ganzen, zur „Dynamischen“, stellt mich mitten in den Raum brüllte drauf los, prügelte auf ein Kissen ein, kriegte einen Lachkrampf.
Lachen war offenbar O.K. … die Gruppenleiter liessen mich lachen, mussten selber auch lachen.
Als das Hüpfen kam, war ich mit Lachen fertig, sprang hoch und runter, hatte aus dem grad ausgelebten Lachen heraus irgendwie Spass an dem Rumgetobe. Nach ein paar Minuten, in denen meine Laune mir erhalten blieb, merkte ich, dass das Hüpfen nicht so mühsam war wie sonst. Ich liess mich auf diese Mühelosigkeit ein.
Dann passierte es … ich tat NICHTS mehr, ich spannte keinen Muskel, ich nahm keine Schwung, ich überliess mein Körper einfach der Bewegung … ich wusste was passierte … hütete mich jedoch zu denken … gab mich endlos hin … 20 Minuten lang ohne jede Anstrengung ohne Schwitzen ohne Widerstände … ohne Gedanken … ich sprang … ES sprang mich.
Genau so ist das beim Schreiben … ich will nichts … ich denke kaum … ich hüte mich zu denken … ich lass es fliessen.
Ich schreibe nicht, primär damit es jemand liest, ich schreibe nicht um ein Buch zu schreiben, ich schreibe nicht, um etwas im Aussen zu bewirken, ich will damit weder Geld verdienen (das bitte bloss nicht!!) noch um Anerkennung zu bekommen (das schon eher … JA … das lässt tief blicken? ... findet jemand? > Klugscheisser!)
Eigentlich schreibe ICH gar nicht! ... denn: …. ES schreibt mich.
Stanislaw Lem … in einem Interview danach gefragt, sagte, Schreiben sei, wie die Toilette abspülen.
Man zieht einmal, dann passiert der Rest von ganz allein …
Man zieht einmal, dann passiert der Rest von ganz allein …
JEP!!! „thats the way it works“
So will ich den Kreis dieser Geschichte schliessen.
Die zehn Jahre Studium und die anschliessenden zehn Jahre im knallharten Job als Architekt haben mich gelehrt, was eine Form ist und vor allem was KEINE Form ist. Ich lernte zu zeichnen, auszudrücken was notwenig ist, was ich will und was nicht.
Mein ArchitekturProf hörte sich, als ihm einmal ein Entwurf vorgestellt wurde, in aller Ruhe die Erklärung des Entwerfers an. Er fragte nach, über Dies und Das, kritisierte. Die Antwort des Studenten auf eine besonders saftige Kritik war, das sei so gewollte von ihm und darum gerechtfertigt.
Der Prof gab ihm zurück: „Dann weisst Du noch nicht was Du willst"
So geht es einerseits um das Loslassen, das Fliessenlassen.
Aber es braucht auch Klarheit und einen präzisen, reflektierten, zielgerichteten Willen.
So lasse ich es laufen, das Schreiben, übergebe dem ES das Ruder, manchmal bin ich auch besoffen wenn ich schreibe.
Nachher oder am nächsten Morgen sitze ich dann und ordne nochmals meine Gedanken und frage mich … was will ich eigentlich sagen, um was geht es mir?
Bastle die Gedankenfetzen der Nacht zuvor zusammen zu einer Geschichte, die einen Kreis um etwas zieht.
Die Mitte des Kreises werde ich wohl nie finden, aber das kann auch nicht meine Absicht sein(2) … ich nähere mich ihr an, bis auf eine Distanz die einerseits eine gewisse Bildschärfe erlaubt und doch den Blick frei lässt auf eine andere Interpretation … Morgen vielleicht.
Besser gehts nicht … denn letztlich bin ich Dilettant.
Aber immerhin … ein Dilettant ohne Widerstände!Fußnoten
(1)
... so weit meine Erinnerung mich nicht trügt.
... so weit meine Erinnerung mich nicht trügt.
(2)
Der Sinn ist ewig ohne Machen,und nichts bleibt ungemacht.
Wenn Fürsten und Könige ihn zu wahren verstehen,
so werden alle Dinge sich von selber gestalten.
Gestalten sie sich und es erheben sich die Begierden,
so würde ich sie bannen durch namenlose Einfalt.
Namenlose Einfalt bewirkt Wunschlosigkeit.
Wunschlosigkeit macht still,
und die Welt wird von selber recht.
Aus dem Tao Te King von Lao Tse
Ravensburg, 19. Juni 2017
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